Die Geschichte des Stadtbades Lichtenberg

Die Entwicklung Lichtenberg`s und der Weg zum Städtischen Volksbad

Die Entwicklung des Bäderwesens von Lichtenberg war abhängig von der Gesamtentwicklung Lichtenbergs seit 1871. In den Jahren davor galt Lichtenberg nur als märkisches Dorf, das sich seit dem 13. Jahrhundert nur unbeträchtlich vergrößerte. Im 18. Jahrhundert galt dann Lichtenberg als Villenvorort von Berlin in dem sich einige wohlhabende Familien entsprechende Landsitze zulegten.
Erst mit Ende des 19. Jahrhunderts begann in Lichtenberg der eigentliche Aufschwung. Dies hatte mehrere Ursachen: Zum Einen entwickelte sich die Stadt Berlin derart, dass vieler Orts die Grundstückspreise für Gewerbebetriebe in die Höhe schossen und für Wohnneubauten kaum noch Platz vorhanden war. Zum Anderen besaß die Gemeinde Lichtenberg ausreichend genügend Platz für die Errichtung von Industrieflächen und Bebauungsflächen für Wohnraum. Diesen Umstand machte sich die damalige Rittergutsbesitzerfamilie „Roeder“ zu nutze. Sie entwickelte mit ihrer Terraingesellschaft Rittergut Lichtenberg eine Industriefläche mit entsprechenden Wohnkomplexen, die eine Ideallösung für den wirtschaftlichen Aufschwung und der kommunalen Entwicklung Lichtenbergs darstellte. Somit wurde Lichtenberg zum Vor- u. Zentralpunkt der östlichen Industrietätigkeit.
Ein besonders günstiger Umstand war es auch, dass Berlin die Stadt- und Ringbahn, die zunächst nur dem Güterverkehr diente und dann der Personenbeförderung, gewissermaßen bis an die Haustür Lichtenbergs legte. Damit konnte die Industriesiedlung, die mit einem zwischenzeitlich ausgebauten Schienennetz ausgestattet wurde an das Bahnsystem angeschlossen werden.
Mit der Entwicklung der Industrie Lichtenbergs folgte auch die Entwicklung der Kommunalen Verwaltung, denn zwischenzeitlich wuchs natürlich die Lichtenberger Bevölkerung an. Allein in den 80iger Jahren des 19.Jahrhundert um rund 10.000 Einwohner.
Als Oskar Ziethen 1896 in den Dienst der Gemeindevertretung als Amts- und Gemeindevorsteher eintrat, lebten in Lichtenberg bereits ca. 30.000 Einwohner. Und die Entwicklung ging weiter, denn Oskar Ziethen legte seine Tätigkeit auf eine von Berlin unabhängige Entwicklung. Seine Hauptaufgabe sah er darin, alle sozialen und hygienischen Fortschritte selbst zu entwickeln. So wurde z.B. der Ausbau der Frankfurter Alle vorangetrieben, das Gaswerk erweitert, das Elektrizitätswerk errichtet, der Stadtpark gestaltet, das Schulwesen erweitert und die Wohlfahrtspflege organisiert. Weiterhin bemühte sich Oskar Ziethen und die Gemeindevertretung um die Vereinigung Lichtenbergs mit Berlin, die aber zunächst am Widerspruch der Regierung von Berlin scheiterte. Man orientierte sich daher auf die Verleihung der Stadtrechte, die allerdings noch bis auf das Jahr 1907 auf sich warten lies.
Mit Wirkung vom 15.0ktober 1907 erhielt Lichtenberg nach langwierigen Verhandlungen mit dem Kreise Niederbarnim die lang ersehnten Stadtrechte. Damit hatte Lichtenberg auch den Zugang zum Preußischen Städtetag und durfte damit auch an den Versammlungen des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege teilnehmen. Zwischenzeitlich wuchs die Bevölkerungszahl auf ca. 68.000 Einwohner an. Anfang des 20igsten Jahrhunderts galt Lichtenberg als mustergültig und entgegenkommend gegenüber jeder sich entwickelnden Industrie. Die Wohnverhältnisse waren gegenüber anderen Vororten und auch in Teilen der Stadt Berlin bei weitem besser. Demzufolge waren auch die hygienischen Verhältnisse besser als anderswo.
Lichtenberg verfügte bereits über eine sehr gute Stadtentwässerung und in einigen Häusern wurden sogar Waschmöglichkeiten für die Bewohner eingerichtet.
Die Hygienische Entwicklung im gesamten Deutschen Reich hatte sich zwischenzeitlich derart entwickelt, dass es es zu einigen gesetzlichen Festlegungen in den Städten kam. Auf Drängen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder wurden in den ersten Jahren des 20.Jahrhunderts diverse Gesetze zur Hebung des Badewesens und der Hygiene erlassen.
Mit der Verleihung der Stadtrechte, sah sich Lichtenberg damit konfrontiert die gesetzlichen Regelungen zur Hebung der Hygiene, Gesundheit und des Badewesens umzusetzen. Für die überwiegende Mehrzahl der Lichtenberger Bevölkerung gab es nur sehr wenige Möglichkeiten in Lichtenberg oder in deren Nähe ein Reinigungsbad zu nehmen. Fluss- und Freibadeanstalten waren die einzige Möglichkeit um der Forderung nach Körperpflege gerecht zu werden. Diese Möglichkeiten konnten aber nur in den Sommermonaten genutzt werden. Für die Wintermonate gab es in Lichtenberg nur vereinzelte kleinere sogenannte Warmbadeanstalten. Es waren Orte oder Räume, meist gekoppelt mit der Möglichkeit auch Wäsche zu waschen. Dort standen meist Badewannen, wo man für ein entsprechendes Entgeld ein Badewannenbad nehmen konnte. Eins dieser Bäder befand sich in der Nöldnerstraße.
Als Fluss- oder Freibad standen in erster Linie für die Lichtenberger Bevölkerung nur folgende Badeanstalten zur Verfügung:

  • Die Schlicht`sche Badeanstalt, am Rummelsburger See
  • Das Kleine Badeschiff für Mädchen und Jungen, am Waisenhaus Rummelsburg
  • Das Deutsche Bad an der Eisenbahnbrücke Treptow
  • Das Wernerbad, in Kaulsdorf/Mahlsdorf und diverse wilde Badestellen an der Spree

Diese reichten aber bei Weitem nicht aus um der Bevölkerung mindestens einmal in der Woche ein Bad zu gewähren. Im Februar 1909 plante Lichtenberg bereits einen Betrag in Höhe von 150000 Mark für die Errichtung einer Badeanstalt ein. Dafür wurde im Dezember 1913 ein ca. 2000qm großes Grundstück am Ende der Deutschmeister Straße angekauft. Man beabsichtigte ein entsprechendes Kessel-und Maschinenhaus für 15 Brausen und 10 Wannenbäder zu bauen. Im gleichen Jahr wurde dann das Thema in der Stadtverordnetenversammlung aufgegriffen und es wurde im Ortsstatut vom 20. Dezember die Errichtung eines Städtischen Betriebes für das Badewesen beschlossen. Damit war zumindest der Grundstein für die Erarbeitung eines Projektes einer Badeanstalt geschaffen worden. In einem Sonderabdruck des Statistischen Jahrbuchs deutscher Städte 1911 über die Badeeinrichtungen im Deutschen Reiche, wurde auch Berlin-Lichtenberg als Stadt die immer noch keine Badeanstalt für Ihre Bevölkerung zur Verfügung gestellt hat genannt. Die finanziellen Verhältnisse der Stadt-Lichtenberg konnten dem Bedürfnis eine Badeanstalt bauen zu lassen allerdings noch nicht gerecht werden. Zumal die noch junge Stadt diverse andere Projekte umzusetzen hatte. Zunächst stand die Errichtung einiger Schulen auf dem Wunschzettel zum Anderen benötigte die Stadt auch dringend ein Krankenhaus und der weitere Ausbau des Abwassersystems musste auf Grund steigender Einwohnerzahlen ebenfalls umgesetzt werden. Auch für die sportliche Betätigung, die zwischenzeitlich einen enormen Zuwachs zu verzeichnen hatte musste gesorgt werden. Sogenannte Spielplätze wurden ebenfalls gefordert.
Im Verwaltungsbericht der Stadt Lichtenberg für die Zeit vom 01. April 1911 bis zum 31. März 1913 wird auf der Seite 157/158 erstmals zur Frage der Badeanstalten in Lichtenberg Stellung genommen.
Es wird berichtet, dass unter Rücksicht der enormen Kosten der Bau einer Badeanstalt noch weiter zurückgestellt wird. Es hat sich außerdem als noch nicht notwendig erwiesen, weil die vorhandenen Badeanstalten den zur Zeit bestehenden Anforderungen noch genügen. Die Einwohnerschaft, welche keine eigene Badeeinrichtung besitzt, macht gern und ausgiebig von den Badekarten für Wannenbäder zum Vorzugspreis von 30 Pfg. Gebrauch. Die Gemeinde zahlt für jede Karte 13 Pfg. Zuschuss. Auch mit den Besitzern der Flußbadeanstalten, und zwar Seebad Rummelsburg am Rummelsburger See und Deutsches Bad an der Spree bei der Tretpower Eisenbahnbrücke sind Vereinbarungen getroffen.
Weiterhin wird ausgewiesen, dass Gemeinde-Badekarten für folgende Bäder verausgabt wurden.

für das Viktoriabad (1911+1912, 18079 Stück)

2. für das Römerbad (1911+1912, 13261 Stück)

3. für das Seebad Rummelsburg (1911+1912, 2172 Stück)

4. für das Deutsche Bad in Treptow (1911+1912, 7501 Stück) und

5. für das Friedrichsbad Bln-Lichtenberg in der Frankfurter Allee 197,
dass dieser Vereinbarung aber erst 1913 beigetreten ist.

Einen Wendepunkt in der Entwicklung hatte Lichtenberg im Jahre 1912 zu verzeichnen. Der längst überfällige Bebauungsplan und der Bau des Krankenhauses, den Lichtenberg 1907 als Auflage bekommen hatte um die Stadtrechte zu erhalten wurde nach langen Diskussionen im Stadtrat beschlossen und umgesetzt. Gleichzeitig wurde der Zusammenschluss von Lichtenberg und Rummelsburg vollzogen.

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