Zwischen Denkmalpflege und Substanzerhalt – eine kritische Bestandsaufnahme

11.06.2025 Allgemein Kommentare geschlossen

Das Stadtbad in Berlin-Lichtenberg, auch Hubertusbad – eines der architektonisch bedeutendsten Stadtbäder der 1920er-Jahre – steht seit vielen Jahren im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Als eindrucksvolles Zeugnis sozialer Infrastruktur der Weimarer Republik mit kunstvollen Details und monumentaler Raumgestaltung besitzt das Gebäude nicht nur stadtgeschichtlichen, sondern auch identitätsstiftenden Wert für den Bezirk. Die emotionale Bindung ist bei der Bevölkerung bis heute spürbar – das zeigte zuletzt der Tag des offenen Denkmals, bei dem über 1.000 Besucher das Haus besichtigten und die zahlreichen Besuche bei der Ausstellung Stadtbad Lichtenberg RELOADED. Wir möchten an dieser Stelle klarstellen, dass der Förderverein Stadtbad Lichtenberg e.V. in keinerlei organisatorischer oder inhaltlicher Verbindung zur Veranstaltung Stadtbad Lichtenberg RELOADED steht. Es handelt sich hierbei um eine eigenverantwortlich agierende Initiative eines unabhängigen Veranstalters.

Doch trotz seiner kulturhistorischen Bedeutung ist der bauliche Zustand des ehemaligen Schwimmbads nach wie vor kritisch. Zwar wurde in den letzten Jahren eine erste Sanierungsphase abgeschlossen, doch handelt es sich hierbei im Wesentlichen um eine Sicherungsinstandsetzung, die ausschließlich dazu dient, ein von uns konzipiertes und vorgeschlagenes Zwischennutzungskonzept technisch zu ermöglichen und die historische Substanz vor dem weiteren Verfall zu bewahren – nicht jedoch um eine dauerhafte oder umfassende Sanierung des Gesamtgebäudes.

Im Rahmen dieser ersten Maßnahmen, deren Kosten sich auf rund 3,8 Millionen Euro beliefen, wurden folgende Arbeiten umgesetzt:

Eine temporäre Notabdichtung des Daches und insbesondere der stark geschädigten Sonnenterrasse. Diese Maßnahme wurde dabei bereits zum zweiten Mal ausgeführt, da die erste Abdichtung nicht dauerhaft bestand.
Die bauliche Ertüchtigung der ehemaligen Damenschwimmhalle samt angrenzender Funktionsräume, um eine kulturelle Zwischennutzung zu ermöglichen.
Die Erneuerung haustechnischer Anlagen, allerdings ausschließlich für den genannten Gebäudeteil. Die übrige Haustechnik des Hauses ist nach wie vor unzureichend oder nicht funktionsfähig.
Diese punktuellen Eingriffe haben zwar dazu geführt, dass einzelne Gebäudeteile heute als Eventflächen genutzt werden können und das Objekt öffentlich präsent bleibt – von einem vollumfänglichen Substanzerhalt oder gar einer Wiederinbetriebnahme im historischen Sinne ist man jedoch weit entfernt.

Eine geplante zweite Sanierungsstufe, die sich auf die Gebäudehülle, die ehemalige Herrenschwimmhalle sowie zentrale Infrastruktur beziehen würde, ist derzeit nicht finanziert. Die geschätzten Kosten dafür belaufen sich auf rund 28 Millionen Euro allein für die äußere Hülle, rund 36 Millionen Euro wären für eine umfassendere bauliche Nutzbarmachung nötig. Da im aktuellen Doppelhaushalt des Landes Berlin keine Mittel dafür eingestellt wurden, bereitet die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), als Eigentümer der Immobilie derzeit ein Bieterverfahren zur Vergabe eines Erbbaurechts vor, um externe Akteure zur Entwicklung des Gebäudes zu gewinnen.

Aus fachlicher Sicht ist diese Entwicklung mit Vorsicht zu betrachten: Die bisherige Notinstandsetzung war notwendig, jedoch nicht nachhaltig. Besonders kritisch ist die Tatsache, dass die temporäre Dachabdichtung bereits abgelaufen ist und nur provisorisch repariert wurde. Ohne eine grundlegende Sanierung der Hülle besteht die akute Gefahr, dass eindringende Feuchtigkeit zu dauerhaften Schäden an der historischen Substanz führt – insbesondere an den tragenden Bauteilen und der filigranen Innenarchitektur.

Auch die Herstellung der Barrierefreiheit wurde bisher nur unzureichend umgesetzt: Zwar existieren Rampen und Automatiktüren, diese sind jedoch nicht durchgängig nutzbar. Die Wegeführung ist lückenhaft, der Zugang über den Stufenlift bleibt unpraktisch, und umfassende Maßnahmen gemäß DIN 18040-1 wurden bislang nicht umgesetzt.

Eine Wiedereröffnung des Bades in seiner ursprünglichen Funktion als öffentliches Schwimmbad gilt laut Denkmalbehörde und Senatsverwaltung als technisch nicht genehmigungsfähig – zu groß wären die Eingriffe in die historische Bausubstanz. Stattdessen sind kulturelle, soziale und gewerbliche Mischnutzungen vorgesehen, beispielsweise Ausstellungen, medizinisch-therapeutische Angebote und Veranstaltungsformate.

Die Frage, ob das Hubertusbad langfristig als Ort lebendiger Erinnerung und öffentlicher Teilhabe gesichert werden kann, hängt damit entscheidend davon ab, ob das geplante Erbbaurechtsverfahren mit klaren denkmalpflegerischen Vorgaben, finanziellen Sicherheiten und einer strukturellen Beteiligung der Öffentlichkeit verbunden wird. Ohne diese Elemente droht die Gefahr, dass kurzfristige Interessen überwiegen – und das, was bisher durch große Anstrengung gesichert wurde, erneut gefährdet ist.

Das Hubertusbad ist mehr als ein Gebäude – es ist ein Spiegel der Berliner Stadtgeschichte. Damit es auch in Zukunft als solcher sichtbar bleibt, braucht es mehr als symbolische Zwischennutzungen: Es braucht eine verlässliche Strategie zur langfristigen Werterhaltung und Weiterentwicklung im Sinne des Gemeinwohls.

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