Stadtbad Lichtenberg

Ludwig Isenbeck, Bildhauer

Ludwig Isenbeck, geboren am 19. April 1882 und verstorben am 21. Dezember 1958, gehört zu den drei Künstlern, die dem Stadtbad Lichtenberg ihren unverwechselbaren künstlerischen Ausdruck verliehen. Sein Todestag jährte sich vor wenigen Tagen zum sechzigsten Mal – ein Anlass, sein Wirken und insbesondere seine Arbeiten am ehemaligen Volksbad Lichtenberg erneut in den Blick zu nehmen.
Die von Isenbeck entworfene Darstellung einer startenden Wasserspringerin prägt bis heute den Haupteingang des Stadtbades. Viermal brachte man die Figur an der Fassade an – als bewusste Gestaltung der Stadt Berlin, die damit nicht nur auf den Badebetrieb hinweisen wollte, sondern zugleich den damaligen Aufbruch in eine neue Zeit visualisierte. Dieser Gedanke spiegelt sich vor allem in der expressionistischen Formensprache wider: Die kantigen, gezackten Linien der Skulptur verleihen ihr eine Dynamik, die den modernen Zeitgeist der 1920er Jahre eindrucksvoll zum Ausdruck bringt.

Alle äußeren Schmuckelemente des Gebäudes wurden gestalterisch aufeinander abgestimmt. So goss man auch die Wasserspringerinnen in einer Art Waschbeton aus einem Stück. Die Wahl der Zuschlagstoffe erzeugte den Eindruck, es handele sich um Sandstein – ein Effekt, der aus Kostengründen bewusst angestrebt wurde, da echter Sandstein nicht zum Einsatz kommen sollte. Die Ausführungsplanung aus dem April 1919 betonte, dass das Bad mit einfachsten Mitteln und vor allem durch geschickte Massenverteilung eine überzeugende architektonische Wirkung erzielen sollte. Über viele Jahre hielt sich jedoch in der Öffentlichkeit die Behauptung, bei den Figuren handle es sich um echten Sandstein. Untersuchungen der letzten Jahre konnten dies eindeutig widerlegen.
Hergestellt wurden die Figuren im Betonwerk der Firma Gebr. Friesecke in Berlin-Britz. Das Unternehmen war auf Fassaden- und Architekturteile aus Beton spezialisiert und warb damals mit „Kunstsandstein“, der in Struktur und Farbgebung den natürlichen Vorbildern täuschend ähnlich sei und ihnen in der Wertbeständigkeit kaum nachstehe.

Die witterungsbedingten Schäden sind bei den 90jährigen Figuren recht deutlich. Regen und Frost haben zu Auswaschungen und Rissbildung geführt.

Die Oberflächen wurden noch nach dem Gießen mit einem sogenannten Schariereisen bearbeitet. Somit erhält man die etwas streifige und raue Oberfläche.

Auch über das Stadtbad Lichtenberg hinaus hinterließ Ludwig Isenbeck zahlreiche Spuren in Berlin und Norddeutschland. Zu seinen Werken zählen unter anderem die Reliefs am Rathaus Schöneberg, Fassadenschmuck am Weinhaus Huth, der Rathausbrunnen in Lankwitz sowie Terrakotta-Platten an einer Schule in Charlottenburg. Darüber hinaus schuf er verschiedene Arbeiten in Flensburg und Neumünster. Obwohl Isenbeck Mitglied im Verein Berliner Künstler war, zählt er heute zu den weniger bekannten Bildhauern der Stadt – sein vielseitiges Werk und insbesondere sein Beitrag zur Gestaltung des Stadtbades Lichtenberg verdienen jedoch besondere Würdigung.

Ein ausführlicherer Blick auf Leben und Werk Ludwig Isenbecks
Ludwig Isenbeck wuchs in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher und künstlerischer Veränderungen auf. Geboren in Potsdam, erhielt er seine Ausbildung an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, wo er früh den Umgang mit Materialien wie Stein, Terrakotta und später auch Beton erlernte. Berlin war zu dieser Zeit ein Zentrum der Architektur- und Kunstentwicklung – ein Umfeld, das Isenbeck prägen und seine spätere Ausrichtung als Bauplastiker entscheidend beeinflussen sollte.
Seine Werkstatt in Berlin-Friedenau befand sich in einem Umfeld zahlreicher namhafter Künstler und Architekten. Gemeinsam mit dem Bildhauer Johannes Hinrichsen arbeitete er an verschiedenen Projekten im Berliner Stadtgebiet. Die Zusammenarbeit war fruchtbar und führte zu mehreren großen Bauplastikaufträgen, denn in den 1920er Jahren erlebte die Architekturphase der Reformmoderne und des Expressionismus einen Höhepunkt. Gerade Bauplastiker wie Isenbeck hatten die Aufgabe, diese neuen architektonischen Leitbilder in starke bildhauerische Formen zu übersetzen.
Beim Volksbad Lichtenberg, dem heutigen Stadtbad, zeigte sich sein künstlerisches Können besonders eindrucksvoll. Die vier Wasserspringerinnen, die er für den Haupteingang entwarf, sind nicht nur kunsthandwerklich bemerkenswert, sondern stehen für ein klares städtebauliches und kulturelles Programm. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs sollte die öffentliche Architektur dem Bürger Optimismus, Orientierung und ein Gefühl des Aufbruchs vermitteln. Sport, Hygiene und Körperkultur wurden als Symbole einer neuen, modernen Gesellschaft verstanden – und Isenbecks Figurentypus macht diese gesellschaftliche Aufladung sichtbar. Die entschlossene, vorwärtsgerichtete Haltung der Wasserspringerin, ihre dynamischen Linien und der bewusste Verzicht auf naturalistische Details spiegeln bewusst den expressionistischen Gestaltungswillen wider.
Die technische Ausführung war ebenfalls modern und zukunftsgewandt. Beton – damals ein vergleichsweise neues Fassadenmaterial in der Bauplastik – erlaubte eine effiziente Herstellung auch komplexer Formen. Die Firma Gebr. Friesecke gehörte zu den führenden Spezialisten auf diesem Gebiet. Ihr sogenannter „Kunstsandstein“ galt als innovatives Material, weil er viele Vorteile des echten Sandsteins imitierte, jedoch langlebiger, preiswerter und leichter zu formen war. Für ein kommunales Bauprojekt in den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war dies eine ideale Lösung. Dass die Figuren jahrzehntelang für echten Sandstein gehalten wurden, belegt nicht nur die hohe Kunstfertigkeit der Produktion, sondern auch die ästhetische Qualität des Materials.
Neben dem Volksbad Lichtenberg konnte Isenbeck weitere bedeutende Werke im Berliner Stadtbild hinterlassen. Zu nennen sind besonders die Reliefs und Figuren am Rathaus Schöneberg, die teilweise allegorische Darstellungen tragen und die städtische Repräsentationsarchitektur der Zwischenkriegszeit prägen. Auch die Arbeiten am Weinhaus Huth am Potsdamer Platz zeigen seine Fähigkeit, Fassadenschmuck harmonisch mit moderner Architektur zu verbinden.
Seine Terrakotta-Arbeiten – etwa an der Schule in Charlottenburg – zeigen eine weitere Facette seines Schaffens und verdeutlichen seine breite Materialbeherrschung. Terrakotta war zu dieser Zeit ein beliebtes Fassadenelement, das sich durch Witterungsbeständigkeit und farbliche Ausdruckskraft auszeichnete. In seinen Werken finden sich häufig klare Linien, reduzierte Figuren und dekorative Elemente, die den Geist der Reformarchitektur widerspiegeln.
Auch über Berlin hinaus blieb Isenbeck aktiv: In Flensburg, Neumünster und weiteren Städten Norddeutschlands finden sich Arbeiten, die zeigen, dass er zeitweise überregionale Bedeutung erlangte. Dennoch wurde er in der breiten Kunstgeschichtsschreibung der Nachkriegszeit weniger stark berücksichtigt – möglicherweise wegen seiner Konzentration auf angewandte Bauplastik, einem Feld, das oft im Schatten freier bildhauerischer Arbeiten steht.
Seine Mitgliedschaft im Verein Berliner Künstler unterstreicht seine Position im kulturellen Leben seiner Zeit, auch wenn er nie zu den prominentesten Namen seiner Generation zählte. Heute jedoch – insbesondere im Zuge der denkmalpflegerischen Beschäftigung mit historischen Bädern, Rathäusern und Fassaden – erfährt sein Werk wieder größere Aufmerksamkeit. Vor allem seine Arbeiten am Stadtbad Lichtenberg sind hierfür ein herausragendes Beispiel. Sie dokumentieren nicht nur seinen handwerklichen und künstlerischen Anspruch, sondern stehen zugleich stellvertretend für eine Epoche des Aufbruchs, der Moderne und des gestalterischen Selbstbewusstseins im öffentlichen Bauwesen der 1920er Jahre.

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