Stadtbad Lichtenberg

Ein Baustoff aus Erde und Feuer – das Stadtbad Lichtenberg als Kind der Ziegelindustrie

Wer sich mit den im Stadtbad Lichtenberg verwendeten Baustoffen befasst, stößt unweigerlich auf das Thema Baukeramik und die traditionsreiche Ziegelindustrie. Derzeit widmen wir uns der Erforschung der Herkunft und Herstellung sämtlicher Baukeramiken des Bades. Bereits heute lässt sich feststellen: Die meisten der prachtvollen glasierten Keramiken stammen aus den Siegersdorfer Werken – einem der bedeutendsten Standorte der schlesischen Keramikproduktion im heutigen Polen.
Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der einst von Friedrich Hoffmann gegründeten Siegersdorfer Werke werden wir im kommenden Jahr einen umfangreichen Beitrag veröffentlichen. Schon jetzt aber möchten wir einen kleinen Ausblick geben und die Grundlagen der Ziegelherstellung beleuchten – jenen Werkstoff, der nicht nur die Architektur des Stadtbads, sondern auch die Baugeschichte Mitteleuropas nachhaltig geprägt hat.

Wenn man das Stadtbad Lichtenberg betritt, spürt man sofort: Dieses Gebäude ist ganz und gar aus Ziegeln erbaut. Wände, Gewölbe, Fassaden – überall derselbe Baustoff. Was heute selbstverständlich wirkt, war in den 1920er Jahren eine sehr bewusste Entscheidung. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Kassen leer, die Stadt musste sparen. Die Stadtväter beschlossen daher, dass das Bad ausschließlich mit Ziegeln errichtet werden sollte. Naturstein war zu teuer, Beton noch nicht durchgängig erprobt – der Ziegel aber war preiswert, regional verfügbar und in nahezu unbegrenzten Mengen lieferbar.


Ton – der Ursprung des Ziegels
Die Grundlage jedes Ziegels ist der Ton. Seit der Eiszeit lagern in unserer Region große Mengen dieses Rohstoffs in den Böden. Je nach Zusammensetzung brachte der Ton beim Brennen unterschiedliche Farben hervor: eisenhaltiger Ton ergab die roten Ziegel, kalkhaltiger Ton die gelben Berliner Vormauersteine, besonders eisenreiche Tone – hoch gebrannt – sogar dunkelviolette bis schwarze Klinker. Und ganz besondere weiße Tone, sogenannte Kaoline, wie man sie etwa in Schlesien findet, lieferten einen hellen Scherben und waren so wertvoll, dass man daraus Porzellan, Steinzeug und glasierte Baukeramik herstellte. Schon hier zeigt sich: Ton ist nicht gleich Ton – und die Eigenschaften des Rohstoffs bestimmten, was später gebaut werden konnte.


Vom Klumpen zum Stein
Der Ton kam feucht aus der Grube, wurde zerkleinert, von Hand oder maschinell geknetet und anschließend geformt. Früher drückte man die Masse in Holzformen, später übernahmen Strangpressen diese Arbeit, die den Ton zu langen Bahnen formten, die dann in gleichmäßige Rohlinge geschnitten wurden. Diese Steine mussten zunächst trocknen – manchmal wochenlang, bevor sie im Ofen gebrannt werden konnten. Ohne diese Geduld wären sie im Feuer gesprungen oder zerplatzt.


Im Ofen – das Feuer macht den Ziegel
Die eigentliche Verwandlung geschah im Brennofen. Ab etwa 600 Grad begann der Ton zu versteinern, bei 900 bis 1000 Grad entstand der übliche Bauziegel. Bei Temperaturen über 1200 Grad sinterte der Ton beinahe glasartig – so entstanden die besonders dichten und widerstandsfähigen Klinker. In unserer Region war es vor allem der Hoffmann’sche Ringofen, der die Massenproduktion ermöglichte. In diesem ringförmigen Bauwerk lief das Feuer ununterbrochen durch die einzelnen Kammern, sodass Trocknen, Brennen und Abkühlen gleichzeitig stattfinden konnten. Millionen Steine wurden so produziert und mit Lastkähnen nach Berlin transportiert. Ganze Landschaften – etwa das Zehdenicker Ziegeleirevier oder die Glindower Ziegeleien bei Werder – wurden von Tonstichen und Ringöfen geprägt.


Ziegelmangel und Ersatzsteine
Dass das Stadtbad heute überwiegend aus Ziegel besteht, war eine Entscheidung der Kostenkontrolle. Doch während der Bauphase kam es offenbar auch zu Engpässen. Bei Untersuchungen wurden in einigen Wandabschnitten Kalksandsteine gefunden – ein künstlicher Stein, der ab 1900 immer populärer wurde und aus Sand und Kalk unter Dampf gehärtet wird. Ihr Auftreten im Stadtbad deutet darauf hin, dass während der Inflationszeit nach 1919 die Ziegelversorgung nicht immer gesichert war. Das Gerücht, dass bereits frühzeitig mit Bauarbeiten begonnen wurde und diese dann unterbrochen wurden, wird dadurch gestützt. Erst nach der Währungsstabilisierung ab 1924 konnten die Arbeiten zügig abgeschlossen werden, sodass zwischen 1925 und 1927 das Bad in seiner heutigen Gestalt entstand.


Ziegel als Schmuck – der Ausdruck des Expressionismus
So sehr die Ziegel aus Kostengründen gewählt wurden, so sehr prägten sie auch den architektonischen Ausdruck. Das Stadtbad Lichtenberg ist weit mehr als ein nüchterner Zweckbau. Gerade die Eisenklinker in den Vorräumen und Hallen zeigen eindrucksvoll, wie sehr die Architekten den Baustoff auch als Ornament nutzten. Im Stil des Expressionismus wurden die dunklen, fast glasartig gebrannten Klinker zu Mustern, Gliederungen und plastischen Strukturen komponiert. Sie gaben dem Bau Würde und Ausdruckskraft, ganz im Sinne einer Architektur, die mit einfachen Mitteln eine starke Wirkung entfalten wollte.


Berlin und seine eigenen Ziegeleien
Die Bedeutung des Ziegels für Berlin war so groß, dass die Stadt zeitweise sogar eigene Produktionsstätten betrieb. Überliefert ist etwa eine städtische Ziegelei in Gransee, die dazu beitrug, die Versorgung mit Baumaterial unabhängig von Marktschwankungen sicherzustellen. Angesichts des enormen Bauvolumens nach dem Krieg war es für die Stadt unerlässlich, direkt in die Materialproduktion eingreifen zu können.


Ein Baustoff mit Geschichte
Ziegel begleiten den Menschen seit Jahrtausenden, doch gerade in Berlin und Brandenburg prägten sie das Stadtbild des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Gelbe Vormauerziegel, rote Hintermauersteine, dunkle Klinker für Sockel – und eben auch die unzähligen Ziegel, aus denen das Stadtbad Lichtenberg entstand. Dieses Bauwerk ist ein Zeugnis für die enge Verknüpfung von Baustoff, Geschichte und Architektur.
Das Stadtbad Lichtenberg zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie aus einem „einfachen“ Material nicht nur ein solides Gebäude, sondern ein ausdrucksstarkes Stück Baukultur wurde – geboren aus Erde und Feuer, geprägt vom Sparwillen der Stadtväter, veredelt durch den Geist des Expressionismus.

Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte, dem empfehlen wir den Ziegeleipark in Mildenberg bei Zehdenick.

www.ziegeleipark.de

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